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Kartenbriefe

Moderator: Rüdiger


Beitrag So 19. Jan 2014, 14:10

Beiträge: 14453
Kartenbriefe, fälschlich auch Faltbriefe genannt, waren eine vereinfachte Briefform, bestehend aus einer einmal, in einigen Ländern auch zweimal gebrochenen, zusammenfaltbaren Doppelkarte, deren Ränder, teilweise gummiert und rings durchlocht, beim Verschließen des Kartenbriefs aufeinandergeklebt und bei Öffnung abgerissen wurden.

Kartenbriefe dienten zur Übermittlung kürzerer Mitteilungen, die auf einer Postkarte wegen Raummangels nicht niedergeschrieben werden konnten oder von keinem andern als dem Empfänger gelesen werden sollten; sie unterlagen den Vorschriften und Gebühren für gewöhnliche Briefe.

Kartenbriefe wurden von dem Ungarn Dr. Karl Kohn, genannt Károly Akin, 1871 erfunden.

Sie wurden zuerst, ab 01.05.1879, in Frankreich bei der Pariser Rohrpost, 1882 in Belgien und 1886 in Österreich verwendet. In den folgenden Jahren kamen sie dann in den meisten anderen europäischen und in mehreren amerikanischen Staaten zum Einsatz.

Die Deutsche Reichspost schuf den Kartenbrief als neuen Versendungsgegenstand am 01.11.1897. Von den Postanstalten im Reichspostgebiet wurden bis zum Weltkrieg Vordrucke mit eingedruckten Wertzeichen (zu 10 Pf.) zum Nennwert verkauft.

Im Juni 1922 schaffte die Deutsche Reichspost die Kartenbriefe wegen zu geringen Absatzes wieder ab.

Hier ein am 17.05.1900 in Ostrau geschriebener Kartenbrief, der mit einem Bahnpoststempel "CHEMNITZ-RIESA-RÖDERAU ZUG 1433" entwertet wurde.

Am 18.05.1900 ging der Kartenbrief im Bestimmungsort METZ ein, was ein vorderseitig abgeschlagener Tagesstempel dokumentiert:

IMG_0001.jpg
Von 1871 bis 1918 sowie in der Zeit des Nationalsozialismus von 1940 bis 1944 gehörte Metz zum Deutschen Reich.

1870 hatte im Deutsch-Französischen Krieg die Festung nach einer zweimonatigen Belagerung durch Friedrich Karl Nikolaus von Preußen kapituliert. Metz wurde Verwaltungssitz des neugeschaffenen Bezirks Lothringen innerhalb des Reichslandes Elsass-Lothringen mit der Hauptstadt Straßburg und zur stärksten Festungsstadt im Deutschen Reich ausgebaut.

Nach der Emigration eines Teils der Einwohner (die optants) nach Frankreich wurde das zuvor mehrheitlich französischsprachige Metz vor allem durch Stationierung von deutschen Beamten und Militärs vorübergehend mehrheitlich deutschsprachig. Die zugezogenen „Altdeutschen“ stellten 1895 etwa die Hälfte der Stadtbevölkerung. Bei der Volkszählung von 1900 gaben im Stadtkreis Metz 78 % Deutsch und 22 % Französisch als Muttersprache an. Im Landkreis Metz blieb die Stadt jedoch immer eine Sprachinsel ohne auch nur einen einzigen Korridor zum zusammenhängend deutschsprachigen Gebiet im Osten und Norden, so gaben hier 57,1 % Französisch und 42,9 % Deutsch als Muttersprache an.

Metz gehörte 1900 also zum Deutschen Reich, so daß für den Kartenbrief das Inlandsporto von 10 Pf galt:

IMG_0002 - Kopie.jpg
Liebe Grüße
Rüdiger

Beitrag Mo 14. Apr 2014, 12:57

Beiträge: 2539
Hier ein paar weitere Beispiele zum Thema Kartenbriefe - Deutsches Reich.

Der 1902 verausgabte Kartenbrief Michel K 12.
kartenbrief_dr_10pf.jpg


Der 1920 verausgabte Kartenbrief Michel K 18.
kartenbrief_dr_20pf.jpg


Der 1921 verausgabte Kartenbrief Michel K 22.
kartenbrief_dr_40pf.jpg


Liebe Grüße
Matthias

Beitrag Mi 16. Apr 2014, 15:29

Beiträge: 2539
Hier ein Beispiel für einen Kartenbrief - Reichspost.

Der 1900 verausgabte Kartenbrief Michel K 9 II.
kartenbrief-reichspost.jpg


Der Wertstempel vergrößert.
kartenbrief-reichspost-wertstempel.jpg


Liebe Grüße
Matthias

Beitrag Fr 18. Apr 2014, 16:25

Beiträge: 2539
Der Kartenbrief Michel K 23 wurde 1921 verausgabt.

Vorderseite.
kartenbrief-k23.jpg


Rückseite.
kartenbrief-k23r.jpg


Und hier der Wertstempel zu 60 Pfennig (rotlila) vergrößert.
kartenbrief-k23-wertstempel.jpg


Liebe Grüße
Matthias

Beitrag Mo 4. Aug 2014, 22:40

Beiträge: 14453
Im Protektorat Böhmen und Mähren wurde 1942 dieses Formular "Kartenbrief = Zálepka" ausgegeben:

IMG_0001.jpg
Interessant ist dabei, daß die Post sich das Papier für das Formular in den damaligen Kriegszeiten bezahlen ließ, denn eine solche Ganzsache kostete bei der Post damals 1 Krone 30 Heller, obwohl nur ein Postwertzeichen zu 1 Krone 20 Heller entsprechend dem Porto für einen Brief im Fernverkehr eingedruckt war.

Liebe Grüße
Rüdiger

Beitrag Di 5. Aug 2014, 09:07

Beiträge: 310
Hallo Rüdiger,

vielen Dank fürs Zeigen dieses Kartenbriefes aus Böhmen & Mähren.
Links unten fällt mir noch die Jahreszahl 1942 auf. Gab es nach der
Inflationszeit, also nach dem K 23 - wo übrigens auch ein Papierzuschlag
in Höhe von 10 Pfennig erhoben wurde - noch weitere Kartenbriefe?
(siehe dazu den lila Balken im unteren Bereich).
Papierzuschlag war also auch in der Notzeit nach dem I. WK ein Thema.

Andererseits wäre es auch denkbar, dass Papierzuschläge im Deutschen Reich
nach Ende der Inflation bzw. im 3. Reich nicht erhoben wurden? :?:

Erst mit dem Eintritt von Österreich ins damalige Reich wurde es wieder ein Thema? :?:
Oder denkbar, dass in der ehemaligen Tschechoslowakei vor 1938 auch Papierzuschläge
bei Kartenbriefen erhoben worden sind :?:

Also ein Fachmann sollte uns mal aufklären. :)

Gruß
LR/07/576/GL

Beitrag Di 5. Aug 2014, 13:49

Beiträge: 14453
Hier eine Literaturstelle zum Thema Papierpreiszuschlag sowie Kartenbriefe während der Inflationszeit im Deutschen Reich:

"Bemerkt sei hier noch, daß für Postkarten, deren Herstellung sich infolge der fortwährend steigenden Papierpreise immer mehr verteuert hatte, vom 17. Februar 1921 an die Erhebung eines Papierpreiszuschlags eingeführt wurde, der zunächst 5 Pf. für die einfache Postkarte betrug, in der Folgezeit aber mehrfach erhöht wurde.
...
Ebenso war der Absatz von Kartenbriefen schon seit Jahren so gering, daß von ihrer weiteren Herstellung im Juni 1922 abgesehen werden konnte. Die noch vorhandenen Kartenbriefe zu 10, 15, 20, 40 und 60 Pf. durften, um mit den Beständen bald zu räumen, vom 15. Juni 1922 an ohne Erhebung eines Papierpreiszuschlags abgegeben werden. Auch war nachgegeben, die Kartenbriefe zu Anträgen auf Nachlieferung von Zeitungen, zu Zeitungsüberweisungen und anderen gebührenpflichtigen Schreiben unter Ergänzung des an der vollen Gebühr fehlenden Betrags durch Freimarken der älteren Ausgaben zu verwenden. Vom 1. Oktober 1922 an war der Rest der Kartenbriefe im inneren Betrieb der Postanstalten aufzubrauchen."

(aus: Archiv für Post und Telegraphie 1924,
Verfasser: Ministerialamtmann H. Schulz, Berlin)

Liebe Grüße
Rüdiger


Beiträge: 2539
Die von Rüdiger angeführten Textpassagen beziehen sich im wesentlichen auf die Ganzsachen mit dem Wertstempel "Postreiter". Dazu gehört der bereits weiter oben gezeigte Kartenbrief K 23 sowie die Postkarten P 140 bis P 153. Wobei die Postkarten P 152 und 153 einen Zudruck eines Rosetten-Motivs aufweisen und ehemals P 141 waren.

Als Beispiele ungebrauchte Stücke von P 140 ...
DR-P140.jpg


... und 152.
DRP152.jpg


Bezüglich des Papierzuschlages kann man die P I dazu rechnen, aber sie kam 1923 nicht mehr zur Ausgabe und wurde später lediglich als Formblatt abgegeben.
DRPI.jpg


Liebe Grüße
Matthias

Beitrag Mi 6. Aug 2014, 22:49

Beiträge: 14453
Kartenbrief mit Eindruck des 15 Pfennig Wertes Germania, am 23.03.1920 mit Zusatzfrankatur einer 5 Pfennig Germania portorichtig im Fernverkehr von Kiel nach Berlin gebraucht:

IMG.jpg
Die Portostufe 20 Pfennig für einen Brief bis 20g im Fernverkehr galt im Deutschen Reich vom 01.10.1919 bis zum 05.05.1920, also nicht einmal ein Jahr lang!

Liebe Grüße
Rüdiger

Beitrag Do 7. Aug 2014, 23:44

Beiträge: 14453
Auf niederländisch übersetzt bedeutet Kartenbrief = "Postblad", hier ein Exemplar gebraucht am 29.10.1908 ab Amsterdam nach Dortmund:

IMG - Kopie.jpg
Rückseitig wurde am 30.10.1908 in Dortmund ein Tagesstempel als Ankunftsstempel abgeschlagen:

IMG_0001 - Kopie.jpg
Der Tagesstempel trägt die Uhrzeitangabe "1-2 V.", was 1 bis 2 Uhr nachts bedeutet!

Liebe Grüße
Rüdiger

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