KirchwerderRemerswerder, so hieß das Vierländer Dorf ursprünglich. Dass es seit 1217 in Urkunden als Insula Kercwerdere – Flussinsel mit Kirche – bezeichnet wird, deutet auf den Bau einer Kirche hin. Tatsächlich geht die heutige St.-Severini-Kirche auf einen Feldsteinbau aus dem 12./13. Jahrhundert zurück; Reste der mittelalterlichen Mauern sind an der Nordwand des heutigen Gebäudes noch erhalten. Aus der Ortsgeschichte ist ein dramatischer Vorfall belegt: 1470 sollen „mehrere Eingesessene aus unbekanntem Grund ihren Pfarrer erschlagen haben“ – weshalb der Papst zeitweise den Großen Kirchenbann über das Dorf verhängte.
Die erste Besiedlung der Elbinseln, die später das Kirchspiel Kirchwerder bildeten, ist nicht nachweisbar. Sicher ist, dass Kirchwerder zu den frühesten Eindeichungen der Vierlande gehörte, da hier eine Fährverbindung über die Elbe zwischen dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg und den neuen Gebieten eingerichtet worden war, die auch heute noch existiert: die
Zollenspieker Fähre.
Anfang des 13. Jahrhunderts wurde durch die damals in dieser Region herrschenden Dänen die planmäßige Eindeichung der Inseln begonnen. Aus dieser Zeit stammt der Durchdeich, der das neue Dorf Kirchenwerder gegen das benachbarte, damals noch nicht eingedeichte Ochsenwerder schützte. Zwischen 1314 und 1344 wurde einer der Elbarme, die Gose Elbe, durch Deiche in ein festes Bett gezwungen. Zwei kleinere Elbinseln, Ohe und Krauel, wurden dabei zu Festland. West-Krauel wurde Teil Kirchwerders, Ohe wurde zwischen Kirchwerder und dem benachbarten Kirchspiel Neuengamme aufgeteilt. Obwohl dies vor mehr als 650 Jahren geschah, sind bis heute die Lage und Formen beider Inseln durch Orts- und Straßennamen sowie die Form der Gehöfte deutlich erkennbar.
Der Elbübergang war den Lüneburger Herren, denen das Gebiet unterstand, so wichtig, dass sie eine Befestigung anlegen ließen, die 1296 erstmals als Riepenburg genannt wurde und Verwaltungssitz der Vogtei Riepenburg war. Der Name stammte von der herrschenden Familie, den Herren von Ribe. 1420 wurde die Burg Teil des beiderstädtischen Besitzes: Hamburg und Lübeck hatten die Herrschaft gemeinsam den Lüneburgern abgenommen. Durch die Abdämmung und damit der „Zähmung“ der Gose Elbe und der Dove Elbe (zweier Elbarme, die die Inseln der Vierlande trennten) wurde die Burg überflüssig. Da sie baufällig war, wurde sie 1512 abgerissen und der Verwaltungssitz ins Bergedorfer Schloss verlegt. Die Reste des Burghügels sind bis heute am Zusammentreffen des Kirchwerder Mühlendamms und des Hauptdeichs zu erkennen.
1620 versuchten die Lüneburger erfolglos, das Gebiet durch einen militärischen Einfall zurückzugewinnen; erst Napoleon I. war dort auf seinem Feldzug 1806 siegreich. Doch auch dadurch wurde die Verwaltungsstruktur nicht geändert. 1868 kaufte Hamburg die Hoheitsrechte von Lübeck, so dass die gemeinsame Verwaltung endete und die Vierlande – und damit Kirchwerder – nur noch zu Hamburg gehörte. 1873 wurde die bis dahin selbstständige Enklave Ost-Krauel, die im Besitz der Familie von dem Berghe war, als selbstständige Gemeinde zur Landherrenschaft Bergedorf zugeschlagen. Erst 1937 wurden die letzten sechs Enklaven, die bis dahin unter hannöverscher bzw. preußischer Herrschaft gestanden hatten, mit dem Groß-Hamburg-Gesetz ebenfalls nach Bergedorf eingegliedert.
Zollenspieker ist ein Ortsteil von Kirchwerder und war eine wichtige Fährverbindung über die Elbe. Bereits 1252 existierte sie, damals als „Yslinge“ bezeichnet, und ist bis heute in Betrieb. Bis 1806, also bis zur Eroberung der Umgebung durch Napoleon I., wurde hier Zoll erhoben (daher auch der Name: „Zollenspieker“ bedeutet soviel wie „Zollspeicher“, dieser wurde auf kirchwerderaner Seite an einer Stelle errichtet, wo die Elbe eine Biegung macht, da so von hier aus die Elbe und das eigene Ufer in alle Richtungen sehr gut einsehbar ist). Beim Überfall der Lüneburger von 1620 wurde der alte Speicher zerstört, jedoch bereits ein Jahr später schon wieder neu errichtet. Eine Schanze schützt ihn bis heute vor weiteren Angriffen vom Fluss her. Etwa ab 1870 entwickelte sich der Zollenspieker (Synonym auch für die Fähre) zur Sehenswürdigkeit für die Hamburger; der alte Zollspeicher wurde zur Gaststätte mit einem Tanzsaal in einem neuen Anbau umgestaltet und ist bis heute ist ein beliebtes Ausflugsziel. Der Zollenspieker liegt am Flusskilometer 598 und kennzeichnet zugleich den südlichsten Punkt der Hansestadt.