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Ermäßigtes Porto für benachbarte Orte

Moderator: Rüdiger



Beiträge: 319
Wohnort: Itzehoe
Auch im Inlandsverkehr gab es ein paar Regeln, die man als Belegsammler beachten muss.

Nachbarorte
Normalerweise galten die ermäßigten Gebühren für den Ortsverkehr nur innerhalb einer Stadt oder Gemeinde. Bis 31.3.1921 galten sie auch im Nachbarortsverkehr.

Nachbarortsverkehr ist ein Begriff der deutschen Postverwaltungen, der die ermäßigte Gebühr für Briefsendungen im innerörtlichen Verkehr auf bestimmte Nachbarorte ausdehnte.
Zum Nachbarortsverkehr sollten nicht nur zusammenhängende Postorte, sondern auch solche Postorte zugelassen werden, die, ohne baulich zusammenzuhängen, so nahe bei einander lagen und in so engen wirtschaftlichen Beziehungen standen, dass sie als ein einheitlicher Verkehrsbezirk angesehen werden konnten. (Aus der Begründung des Entwurfs zum genannten Gesetz). Quelle: Wikipedia

Ab 1.1.1922 wurden im Einzelfall Ausnahmeregelungen für gewisse benachbarte Orte getroffen, zwischen denen ab dem gelisteten Datum Ortsgebühren galten.

1.1.1922
Bremen - Hemelingen
Bremerhaven - Geestemünde
Bremerhaven - Lehe
Münster a. Stein - Ebernburg (OPD Coblenz-Speyer)
Bingen (Rhein) - Bingerbrück
Mainz - Biebrich
Hamburg - Altona
Hamburg - Wandsbek
Hamburg - Bramfeld
Hamburg - Kirchsteinbek
Hamburg - Lokstedt
Hamburg - Schiffbek
Hamburg - Stellingen
Hamburg - Wilhelmsburg
Besenhorst - Geesthacht
Harburg - Moorburg
Lübeck - Stockelsdorf
Mannheim - Ludwigshafen
Wertheim - Kreuzwertheim
Bad Süderode - Gernrode
Wilhelmshafen - Schaar
Ulm - Neu-Ulm

8.5.1922
Hamburg - Altenwerder

3.7.1922
Hamburg - Kleinflottbek



In der Postordnung vom 30.1.1929, die auch im Bereich der Bundespost Gültigkeit hatte, sind folgende Nachbarorte aufgeführt:

* Bad Münster a Stein - Ebernburg
* Bingen (Rhein) - Bingerbrück
* Frankfurt (Main) - Offenbach
* Frankfurt (Main) - Neu-Isenburg
* Wiesbaden - Mainz
* Wiesbaden - Bischofsheim
* Wiesbaden - Ginsheim-Gustavsburg
* Hamburg - Garstedt
* Hamburg - Harksheide
* Hamburg - Schenefeld
* Lübeck - Stockelsdorf
* Lübeck - Bad Schwartau
* Mannheim - Ludwigshafen
* Wertheim - Kreuzwertheim
* Bad Siderode - Gernrode
* Ulm - Neu-Ulm

Unter § 6 (Briefe) heisst es dort:
I. Briefe werden im Ortsverkehr gegen ermäßigte Gebühr befördert.
II. Ortsverkehr ist der Verkehr innerhalb des Orts- und Landzustellbezirks des Aufgabeortes. Liegen mehrere Postanstalten in derselben Gemeinde, so bilden ihre Orts- und Landzustellbereiche einen einheitlichen Ortsverkehrsbezirk. Ortsverkehr kann vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen zugelassen werden, die baulich zusammenhängen und durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Ländern gehindert sind, sich zu einer Gemeinde zusammenzuschließen.
Soweit im Zuge der Neugliederung des Bundesgebietes in der Zugehörigkeit der Orte zu verschiedenen Ländern Änderungen eintreten, bleibt es bei dem bisher zugelassenen Ortsverkehr.

Anweisung zur Durchführung der AmtsblVf. Nr. 54/1963 (zum 01.03.1963)
5. Wegfall der Ortsgebühr für Briefe und Postkarten
Die ermäßigte Gebühr für Briefe und Postkarten im Ortsverkehr ist weggefallen.
Wegen der besonderen Verhältnisse in Berlin wird die ermäßigte Gebühr für Briefe und Postkarten für dieses Gebiet unverändert beibehalten.


Gruß Rainer
Meine Leidenschaft: moderne Postgeschichte bis 1965 und Dauerserien :D


Beiträge: 57
Als Beispiel für den vergünstigten Nachbarortverkehr möchte ich einen Brief von Mannheim nach Ludwigshafen während der Zeit des alliierten Kontrollrats zeigen. Der Brief wurde portogerecht mit 16 Pfennig frankiert und am 13.4.48 in Mannheim mit einem Maschinenstempel abgestempelt.

Einzelfrankatur11.jpg


Beiträge: 14407
Auch ich kann Euch so einen Brief zeigen:

Dieser Beleg ist zum Ortstarif von 16 Pf im vergünstigten Nachbarortsverkehr von Oker nach Goslar gelaufen. Als Frankatur diente eine MiF der beiden Dauerserien aus der Zeit des alliierten Kontrollrats, Ziffernserie und Arbeiterserie. Der Brief wurde portogerecht mit 16 Pfennig frankiert am 18.10.1947 in Oker aufgegeben:

IMG_0001.jpg
Liebe Grüße
Rüdiger


Beiträge: 14407
Dieser Beleg ist am 14.06.1947 portorichtig zum Ortstarif von 16 Pf im vergünstigten Nachbarortsverkehr von Offenbach nach Frankfurt gelaufen. Als Frankatur diente eine MeF in Form von einem Paar des 8 Pf Wertes der Ziffernserie des alliierten Kontrollrats:

IMG_0003 - Kopie.jpg
Liebe Grüße
Rüdiger

Beitrag Do 24. Apr 2014, 22:38

Beiträge: 14407
In Württemberg galt das ermäßigte Porto zum Ortstarif im Nachbarortsverkehr bis zu 10 km Entfernung.

Innerhalb eines Oberamts gab es neben der 10 km-Grenze auch noch den sog. "Oberamtsverkehr":
Alles, was innerhalb des Oberamtes blieb, genoss ebenfalls die ermäßigten Gebühren des Ortstarifes.

Diese Postkarte mit Eindruck eines 2 Pf Wertes "AMTLICHER VERKEHR" lief am 15.12.1904 von FREUDENSTADT nach Igelsberg. Diese beiden Orte liegen 8 km auseinander und somit innerhalb der 10 km-Grenze für den Nachbarortsverkehr:

IMG - Kopie (2).jpg
Igelsberg ist heute ein Stadtteil von Freudenstadt, gehörte 1904 jedoch postalisch gesehen zu KLOSTERREICHENBACH, was man an dem Ankunftsstempel erkennt.

Interessant ist, dass die Ganzsachen in Württemberg zu dieser Zeit auf der Vorderseite unten links ein Druckdatum trugen, hier "3 6 4" für den 03.06.1904.

Kaum jemand sammelt diese Ganzsachen, die daher in großer Stückzahl in Grabbelkisten am Markt sind!

Es kann sich daher durchaus lohnen, in dieses Sammelgebiet auch heute noch einzusteigen!

Liebe Grüße
Rüdiger


Beiträge: 14407
Diese Postkarte mit Eindruck eines 2 Pf Wertes "AMTLICHER VERKEHR" lief am 11.02.1907 von BAIENFURT nach Weingarten. Diese beiden Orte liegen nur 2 km auseinander und somit innerhalb der 10 km-Grenze für den württembergischen Nachbarortsverkehr:

IMG - Kopie.jpg
Die Ganzsache trägt als Druckdatum "10 2 6" für den 10.02.1906.

Liebe Grüße
Rüdiger


Beiträge: 14407
Diese Postkarte mit Eindruck eines 2 Pf Wertes "AMTLICHER VERKEHR" lief am 24.03.1908 von BESIGHEIM nach Erligheim. Diese beiden Orte liegen 5 km auseinander und somit innerhalb der 10 km-Grenze für den württembergischen Nachbarortsverkehr:

Die Ganzsache trägt als Druckdatum "14 11 4" für den 14.11.1904.

IMG.jpg
Liebe Grüße
Rüdiger


Beiträge: 14407
Diese Postkarte mit Eindruck eines 2 Pf Wertes "AMTLICHER VERKEHR" lief am 30.04.1901 von MITTEL-FISCHACH nach Ruppertshofen. Beide Orte waren dem Oberamt Gaildorf unterstellt und unterlagen somit dem Oberamtsverkehr zum Ortstarif:

IMG_0001.jpg
Der Ankunftsstempel aus RUPPERTSHOFEN trägt unten den Zusatz OA GAILDORF.

Die Ganzsache trägt als Druckdatum "28 3 00" für den 28.03.1900.

Die eingedruckte Marke zeigt einen markanten Plattenfehler, der erst kürzlich entdeckt worden ist:

http://www.arge-württemberg.de/belegarchiv-018.html

Liebe Grüße
Rüdiger


Beiträge: 14407
Diese Postkarte mit Eindruck eines 2 Pf Wertes "AMTLICHER VERKEHR" lief am 23.06.1900 von RIEDLINGEN nach "Oggelshausen Post Buchau". Beide Orte waren dem Oberamt Riedlingen unterstellt und unterlagen somit dem Oberamtsverkehr:

IMG_0001 - Kopie.jpg
Die Ganzsache trägt als Druckdatum "12 3 00" für den 12.03.1900.

Liebe Grüße
Rüdiger


Beiträge: 14407
Diese Postkarte mit Eindruck eines 2 Pf Wertes "AMTLICHER VERKEHR" lief am 07.07.1904 von GROSSBOTTWAR nach ERDMANNSHAUSEN. Beide Orte waren damals dem Oberamt Marbach unterstellt und unterlagen somit dem württembergischen Oberamtsverkehr:

IMG_0002 - Kopie.jpg
Die Ganzsache trägt als Druckdatum "28 8 2" für den 28.08.1902.

Liebe Grüße
Rüdiger

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