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Preußen - Postvorschuß

In diesem Thread soll das Wirken der Preußischen Post nach dem Ende der Franzosenzeit ab 1813 bis zur Ausgabe der ersten Preußischen Briefmarken am 15.11.1858 dokumentiert werden.

Moderator: Rüdiger


Beitrag Mo 10. Feb 2014, 00:23

Beiträge: 16942
Nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig gehörte die Stadt Eilenburg zu dem Gebiet, das Sachsen nach den Bestimmungen des Wiener Kongresses 1816 an Preußen abtreten musste.

Durch die Zugehörigkeit zu dem infolge der Preußischen Reformen überaus modernen Staat wurde der Übergang Eilenburgs von einer Land- zur Industriestadt maßgeblich vorangetrieben.

Durch die Gründung zahlreicher Textilmanufakturen wurde Eilenburg neben Berlin bedeutendstes Zentrum der preußischen Textilproduktion. Der Aufstieg zu einer wichtigen Industriestadt ging vor allem vom nahen Sachsen aus. Sächsische Industrielle ließen sich in Eilenburg nieder, um einen zollfreien Zugang zum preußischen Markt zu erhalten. Die einsetzende Landflucht ließ die Einwohnerzahl Eilenburgs sprunghaft ansteigen.

Aus dieser interessanten Zeit stammt dieser am 11.03.1836 geschriebene Beleg vom Königlich Preussischen Land- und Stadtgericht zu Eilenburg, der am 15.03.1836 in Eilenburg der Post übergeben wurde:

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Bei der Einlieferung dieses Beleges erhielt der Absender 12 Silbergroschen 4 Pfennige als Post-Vorschuß.

Für die Leistung dieses Postvorschußbetrages erhielt der annehmende Postbeamte 1 Silbergroschen als pro Cura Gebühr.

Der den Beleg annehmende Postbeamte hatte sich zunächst verlesen bzw. verschrieben und notierte "13 1/12" als Summe des Postvorschußbetrages sowie der pro Cura Gebühr.

Nachdem er seinen Fehler dann doch noch bemerkt hatte strich er diesen Betrag durch und notierte statt dessen als korrekten Betrag "13 1/3".

Der Empfänger, das Königliche Gerichtsamt in Jessen, mußte inklusive Porto sowie der Gebühr für den ausgebenden Postbeamten insgesamt "17 1/3" Silbergroschen zahlen, um diesen Beleg ausgehändigt zu bekommen.

Die Zustellung erfolgte laut rückseitigem Stempel am 21.03.1836:

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Für diese Zustellung wurden wohl noch weitere 2 Pfennige als Botenlohn fällig, denn innen wurde ein Betrag von "17 Silbergroschen 6 Pfennige" vermerkt!

Liebe Grüße
Rüdiger

Beitrag Sa 27. Sep 2014, 07:45

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Aus dem preußischen "Postvorschuss", dessen Anfänge in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu suchen sind, hat sich das spätere Postnachnahmeverfahren entwickelt.

Das Vorschusswesen unterscheidet sich vom Nachnahmeverfahren dadurch, dass sich der Absender den auf der Sendung lastenden Betrag bereits bei der Einlieferung von der Post bar auszahlen lassen konnte (daher "Postvorschuss").

Die spätere tatsächliche Einziehung und Übermittlung des Betrages von der Bestimmungs- an die Aufgabepostanstalt blieb der Post auf ihre Gefahr überlassen.

Später erhielt der Absender einen Gutschein über die Vorschusssendung, den er nach Eingang des Geldes bei der Aufgabepostanstalt einlösen konnte.

Das Postvorschusswesen war bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts den preußischen Postbeamten zuerst nur im Verkehr mit Behörden, später auch im Verkehr mit Privatleuten gegen Erhebung einer „Prokuragebühr“ neben dem Porto als „Privattätigkeit“ überlassen. Die Prokuragebühr fiel dem Beamten zu (Postordnung 1782, Regulativ 1824).

Zum allgemeinen Geschäftszweig der preußischen Post wurde das Vorschussverfahren durch das Postgesetz von 1852.

Das Reglement von 1856 regelte das Verfahren wie folgt: Zahlung der Vorschüsse an den Absender grundsätzlich erst nach der Zahlung an die Postkasse, sofortige Auszahlung der Vorschüsse nur an Behörden und an vertrauenswürdige Personen nach Hinterlegung einer Sicherheit.

Die Norddeutsche Bundespost und die Reichspost hielten an dem Verfahren fest.

Wegen der ungleichen Behandlung der Auslieferer und der vielen Veruntreuungen wurde das Vorschusswesen am 01.10.1878 endgültig in das Nachnahmegeschäft geändert.


Beiträge: 16942
Dieser "An den Vorstand der Kath. Kirche zu Conitz" adressierte Brief wurde an einem 18.03. in Marienwerder aufgegeben, was ein Zweikreisstempel "MARIENWERDER", Feuser 2179-6, dokumentiert:

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Laut Vermerk auf der Vorderseite links unten "Einen Thaler Postvorschuß" handelt es sich um einen Postvorschußbrief. Der vorderseitige Vermerk "pag 19 No 28" ist wohl ein Aktenzeichen und der Absender dieses Beleges dürfte wohl eine Behörde gewesen sein.

Die Procuragebühr betrug für einen Betrag von 1 Taler 2 Silbergroschen.
Diese Gebühr wurde aufgeteilt: 75% erhielt die aufgebende und 25% die ausgebende Postanstalt.
Der annehmende preußische Postbeamte erhielt somit für den von ihm geleisteten Postvorschuß "1 1/2" Silbergroschen als Procuragebühr, was er in rot links unten in der Ecke auf der Vorderseite vermerkte.

Somit war dieser Beleg nunmehr mit zu zahlenden "31 1/2" Silbergroschen belegt, was rechts oben vermerkt wurde.

Das Porto von Marienwerder nach Konitz betrug 2 Silbergroschen, so daß auf dem Brief nach Ankunft in Konitz "33 1/2" Silbergroschen vermerkt wurde.

Hinzu kamen bei der ausgebenden Postanstalt die ihr zustehenden 25% der Procuragebühr in Höhe von hier 2 Silbergroschen, also hier 1/2 Silbergroschen, woraus der Betrag von "34" Silbergroschen resultierte.

Am Empfangsort wurde ein zweizeiliger Langstempel "KONITZ 6. APR" abgeschlagen, wohl nachdem laut rückseitigem handschriftlichem Vermerk "Adressat verweigert die Annahme" die Zustellung nicht erfolgreich war. Daher ging der Beleg laut vorderseitigem Vermerk "retour". Eine Procuragebühr stand der ausgebenden Postanstalt somit nicht zu und der Betrag "34" wurde durchgestrichen und durch "33 1/2" Silbergroschen ersetzt.

Rückseitig findet sich ein Ausgabestempel "11 4 N 1", also vom ersten Bestellgang am Nachmittag eines 11.04., als der Beleg in Marienwerder dem Absender wieder zugestellt wurde, der nunmehr "33 1/2" Silbergroschen dafür zahlen mußte.

Liebe Grüße
Rüdiger2301

Beitrag Sa 17. Jan 2015, 01:08

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Dieser "1 5/8 Loth" schwere Brief "An Ein Hochlöbl. Sachsen Meiningensches Kreis- und Stadtgericht zu Meiningen" adressierte Postvorschußbrief wurde in "Naumburg" aufgegeben, wo er unter der Buchnummer "98." eingetragen wurde:

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Als Aufgabestempel diente an einem 25.06. ein solcher Stempel, Feuser 2368-2, der in diesem Falle leider nur sehr schwach abgeschlagen wurde:

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Für diesen Brief zahlte der annehmende Postbeamte in Naumburg "25 Silbergroschen 9 Pfennig Postvorschuss". 25 Sgr 9 Pf = 25 3/4. Die Procuragebühr betrug 2 Sgr, wovon der annehmende Beamte 75% = 1 1/2 Sgr erhielt. Daher vermerkte der annehmende Beamte "27 1/4" Sgr.

Der Brief wurde auf seinem Beförderungsweg nochmals neu taxiert mit "30 1/4" Sgr.

In Meiningen, das zum Herzogtum Sachsen-Meiningen-Hildburghausen gehörte und wofür die Thurn & Taxissche Post zuständig war hatte der Empfänger schließlich 2 Gulden 2 Kreuzer als Gebühr für diesen Brief zu zahlen.

Liebe Grüße
Rüdiger

Beitrag Fr 3. Jan 2020, 01:34

Beiträge: 16942
Dieser "An den Herrn Kreis Amtmann Grube Wohlgeboren zu Gardelegen" adressierte, als "H. Dienst S." titulierte Brief wurde laut Siegelstempel der absendenden Behörde in SALZWEDEL aufgegeben:

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Der Absender erhielt bei Einlieferung dieses Briefes in Salzwedel "3 Groschen 9 Pfennig Postvorschuß". Der annehmende Beamte vermerkte in roter Tinte "4 1/4" (Groschen) und erhielt somit 1/2 Groschen als Procuragebühr.

In Gardelegen wurde dieser in Salzwedel ausgewiesene Betrag gestrichen und als vom Empfänger einzuhebender Betrag wurden stattdessen "7 1/2" (Groschen) in roter Tinte vermerkt. Der Differenzbetrag von 3 1/4 Groschen setzt sich zusammen aus dem Porto in Höhe von 3 Groschen plus dem Anteil des ausgebenden Beamten an der Procuragebühr, der in diesem Falle 1/4 Groschen betrug.

Liebe Grüße
Rüdiger

Beitrag Mo 6. Jan 2020, 12:51

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Dieser "An Ein Königl. Hochlöbliches Dohm Capitular Vogtey Amt zu Breslau" adressierte Brief wurde am 10.12.1813 in Leobschütz mit "2 1/2 Gr Cour. Postvorschuß" aufgegeben:

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Unten links wurde "1/2" (Groschen) als Procuragebühr in roter Tinte vermerkt, die sich der annehmende und der ausgebende Postbeamte teilten. Oben rechts wurde dementsprechend in roter Tinte "2 3/4" (Groschen) vermerkt, der annehmende Postbeamte erhielt somit direkt seine 1/4 Groschen als Procuragebühr. Dieser Betrag wurde in Breslau dann wieder gestrichen und durch "5 1/2" (Groschen) ersetzt, die der Empfänger zu zahlen hatte. Das Porto betrug somit 2 1/2 Groschen.

Liebe Grüße
Rüdiger


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