Foren-Übersicht Fragen und Diskussion Deutschland Deutschland bis 1945 Altdeutschland Bayern - markenlose Briefe

Bayern - markenlose Briefe

Moderator: Rüdiger


Beitrag Mi 14. Mai 2014, 21:31

Beiträge: 2539
Ein Brief mit wenig Inhalt, es wird die Heirat von Johann Wilhelm Caspar Knorr bestätigt, aus dem Jahre 1851. Von Bamberg nach Nürnberg. Also ein fränkischer Brief.

Auch dieser Brief kann problemlos re-kouvertiert werden, ist demnach in originaler Faltung erhalten geblieben. Eine zusätzliche Faltung lässt aber den Schluss zu, dass der ehemalige Papierbogen getrennt worden war und ein größeres Format hatte.
bamberg1851-1.jpg


Der Post zur Beförderung am 17. Juni übergeben, der Bamberg-Stempel wird seit etwa 1846 nachgewiesen, erreichte er noch am selben Tag, um „1-2“ (Uhr nachmittags), Nürnberg. Dokumentiert durch den rückseitigen Nürnberg-Stempel, einen K2.

Dieser Brief wird für unsere Taxvermerke-Freunde eher uninteressant sein, da keine Gebührenvermerke notiert worden sind. Sowohl Absender als auch Empfänger waren „portobefreit“, was durch das Kürzel „K.S.“ (Kirchen-Sache) und dem Absendersiegel angezeigt wurde, weil es angezeigt werden musste. Zustellgebühren fielen ebensowenig an, da das Pfarramt die eingehende Post wohl selbst vom Postamt abholte.

Siegelnde Institution war das „KÖN: BAY: PROT: DEKANAT BAMBERG“, was mit „königliches bayerisches protestantisches Dekanat“ aufgelöst werden könnte.
bamberg1851-2.jpg


Die Titularseite des Briefes weist neben der Nummer, unter der der Brief eingetragen wurde, nur noch weitere Absender- und die Empfängerdaten auf:

Vom königlichen protestantischen Stadtpfarramte Bamberg
an
das königliche protestantische Stadtpfarramt
St.Lorenz
in
Nürnberg.

Ein Brief von einem protestantischen Amtsbruder zu einem anderen. Also doch etwas besonderes im sonst katholischen Bayern? Auf welchem Wege der Brief befördert wurde kann man sicher eigenrecherchierend nachlesen.

Liebe Grüße
Matthias

Beitrag Mi 14. Mai 2014, 23:23

Beiträge: 16
Hallo Matthias,

schön, dass du alte, bayerische Briefe hier zeigst.

Kleine Korrektur: R.S. steht da, nicht K.S., also Regierungssache und nicht Kirchensache (eigentlich gab es keine K.S., sondern nur A.K.S., also Allgemeine Kirchen - Sachen).

Eine Zustellgebühr gab es in Bayern ab 1844 nicht mehr - nur die Poststellen, die noch auf Emolument gestellt worden waren, durften den Bestellgeldkreuzer beibehalten, aber das waren nur ganz, ganz wenige und in Nürnberg gab es das nie, weil am Sitz einer Hauptbriefpostexpedition keine Postexpeditoren, sondern Beamte eingesetzt worden waren, denen keine weiteren Bestellgelder zukamen.

Das empfangende Pfarramt bekam also seine Post kostenlos ausgetragen.

Hinsichtlich der Postportofreiheit war nicht der Empfänger massgeblich, sondern allein der Absender. Hielt dieser sich an seine Vorschrift für das Absenden von rein dienstlichen Briefen, war die Portofreiheit durch die Aufgabepost zu gewähren, wie hier geschehen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
Liebe Grüsse von bayern klassisch


Beiträge: 2539
Hallo bayern klassisch,

vielen Dank für deinen Beitrag.

Die kleine Korrektur "K.S./R.S." war erwartet worden, sollte doch das kleine Beispiel zeigen, was passieren kann, wenn man einen Buchstaben falsch deutet und somit folgerichtig zu nicht unbedeutenden Fehlinterpretationen kommen kann.

Ein bayerisches Beispiel für Schönschrift der beiden groß geschriebenen Buchstaben K und R auf einer Titularseite, dazu noch von einer Handschrift, habe ich leider nicht, um für die jugendlichen Leser die Unterschiede in der Linienführung der Buchstaben zu verdeutlichen. Die pommerschen Preußen waren da mitunter diziplinierter.
schönschriftKR-1.jpg


Beide Worte, "Regierung" und "Kult(ur)", zeigen die Unterschiede sicher sehr eindrucksvoll.
schönschriftKR-3.jpg
schönschriftKR-4.jpg


Warum es keine Zustellgebühren mehr gab, dürften auch viele Jugendgruppenleiter in Franken/Bayern nicht wissen. Ob die Verwendung eines nicht mehr gebräuchlichen Wortes (Emolument) in einem „Jugendforum“ angebracht ist, ohne wirklich erklärt zu sein, wird jeder anders einschätzen. Nicht jeder Jugendliche kann mit den Erläuterungen von Wikipedia und Wiktionary etwas anfangen.

Der Empfänger dieses Briefes war zwar nicht maßgebend für das Fehlen von Gebührenvermerken auf diesem Brief, aber dass er als königliches protestantisches Stadtpfarramt "portobefreit" war, wirst Du sicher nicht widerlegen können.

Liebe Grüße
Matthias

Beitrag Do 15. Mai 2014, 16:53

Beiträge: 16
Hallo Matthias,

die Differenzierung der Initialen K und R bei der altdeutschen Kurrentschrift gestaltet sich auch für erfahrene Sammler oft schwierig.

Zu dem Fachterminus "Emolument": http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=& ... 9033,d.ZGU

Ich lasse diese Fachtermini aber gerne stehen, weil der Interessierte sie dann ergooglen muss, was die Haftbarkeit im Kopf ungemein erhöht, jedenfalls ist das bei mir so.

aber dass er als königliches protestantisches Stadtpfarramt "portobefreit" war, wirst Du sicher nicht widerlegen können.

Die Portofreiheit gliedert sich in die aktive und passive. Auf die aktive kam es an. Die Frage war also, ob der Aufgeber einer Postsendung etwas bezahlen musste, oder nicht. War ein Brief portopflichtig, so war das Porto zu notieren oder der Absender frankierte es durch Zahlung.

Kam ein unfrankierter Brief mit Porto belastet bei einer bayerischen Behörde an, war zu prüfen, ob man ihn annehmen musste, oder ob man ihn ob seines Portos ablehnen konnte.

Hierbei spielte das "Ranking" des Empfängers eine bedeutende Rolle. Schrieb eine Ober- oder Mittelbehörde an eine Unterbehörde, dann war der Brief in jedem Fall anzunehmen, egal ober er portofrei oder portopflichtig abgegangen war.

Hingegen war es Mittel- und Unterbehörden gar nicht erst gestattet, mit Porto belegte Briefe an Oberbehörden zu versenden. Wenn man es mal in grober Unkenntnis der wahren Verhältnisse tat, wurde die Zahlung des Portos verweigert und die Verweigerung der Zahlung kam der Annahmeverweigerung gleich.

In diesem Fall lief der Brief dann seinen Weg zurück zum Absender, der nun für die entstandenen Kosten gerade stehen musste.

Ein besonderer Fall war derjenige der vollkommenen aktiven und passiven Postportofreiheit, den z. B. das bayerische Königs- und Herzoghaus hatte. Im Inlandsverkehr waren diese Briefe an z. B. den König oder seine Gemahlin vom Portoansatz frei zu lassen.

Kamen jedoch vom Ausland mit Porto belastete Briefe an die Majestäten an, so war dasselbe, weil ja angefallen, von der Post selbst zu zahlen, die Forderung aber als uneinbringlich zu verbuchen und der Brief selbst den Majestäten (bzw. deren Lakeien) kostenlos zu übermitteln.

Eine bayerische Behörde konnte aber nie passiv portobefreit sein, das konnte immer nur derjenige, der dieses Privileg vom König höchstselbst verliehen bekam.

Dieser Brief stellt ein Beispiel der passiven Postportofreiheit dar:

11.jpg
Geschrieben im niederländischen (später ab 1830 belgischen) Gand im Jahre 1809 war er gerichtet an: "A Son Altesse Serenissime Monseigneur le Prince Guillaume de Baviere a Bamberg", also nicht den bayer. König in München, sondern seinen Wittelsbacher Verwandeten, den Herzog von Bayern in Bamberg.

Die Rötel zeigte daher keine Gebühr, sondern lediglich ein verkürztes Nota Bene - Zeichen für die Wichtigkeit des Briefes (eingeschrieben nach formellen Kriterien war er aber nicht).

Ein Beispiel aktiver Postportofreiheit zeigt dieser Brief vom 2.10.1862 aus Augsburg nach Neuburg an der Donau:

22.jpg
Der Absender war Postofficial beim Oberpostamt dort und notierte "franco Unterschrift Official", wobei er mit seinem Privatsiegel das Schreiben zu verschließen hatte. Als Zeichen der Nichtforderung von Gebühren brachte man das liegende "X" an. Bei der Bahnpost erfolgte die Aufgabe im Zug 16.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
Liebe Grüsse von bayern klassisch


Zurück zu Altdeutschland

cron